Bericht
Die Digital Twin Theory
„Digitale Zwillinge sind digitale Repräsentanzen von Dingen aus der realen Welt“. Dies ist eine Definition, die man erhält, wenn man sich über den Digitalen Zwilling informieren möchte. Das Problem: Sie ist nicht die Einzige. Auch Beschreibungen wie „Dynamische digitale Darstellungen, mit denen Unternehmen die Leistung ihrer Maschinen und ihres Geschäfts verstehen, vorhersagen und optimieren können“ oder „Der digitale Zwilling ist eine umfassende physische und funktionale Darstellung einer Komponente oder eines Produkts, die alle erforderlichen Informationen für ihre Verarbeitung in allen Lebenszyklusphasen enthält“ kursieren in den Medien.
Schauen wir mal in die Geschichte. Wo kommt der Begriff des Digitalen Zwillings überhaupt her? Das Konzept des „Zwillings“ hat im NASA-Apollo-Programm der späten 1960er Jahre seinen Ursprung. Gemeint war der identische Nachbau eines Raumfahrzeugs, das auf der Erde verblieb, um die Auswirkungen von Steuerbefehlen zu analysieren, bevor diese an das entfernte Raumfahrzeug gesendet werden. Im Jahr 2010 fügte die NASA erstmals das Attribut „digital“ dem technischen Zwilling hinzu. Der Begriff „Digitaler Zwilling“ war geboren.
Die vielen Definitionsmöglichkeiten und weitere Begriffe wie „Digitaler Schatten“, „Digital Type“ oder „Digital Instance“ sorgen heute für Verwirrung. Die fehlende einheitliche Sicht sorgt, trotz der intensiven Nutzung des Begriffs, noch immer für zahlreiche Missverständnisse bei der Realisierung des Digitalen Zwillings in der betrieblichen Praxis.
Neuer Begriffsraum erleichtert die Kommunikation aller Beteiligten
Professor Andreas Deuter von der Technischen Hochschule Ostwestfalen-Lippe hat gemeinsam mit Florian Pethig vom Fraunhofer IOSB-INA einen alternativen Denkansatz ins Leben gerufen. Die beiden Wissenschaftler haben ein Theoriemodell aufgebaut, welches mit Hilfe von Hypothesen den digitalen Zwilling beschreibt und damit einen Begriffsraum geschaffen. Die „Digital Twin Theory“ ist als eine Alternative zu einer klassischen Begriffsdefinition anzusehen.
Die Hypothesen des theoretischen Modells lauten:
- Ein digitaler Zwilling ist eine digitale Repräsentanz eines Assets.
- Ein digitaler Zwilling befindet sich an mehreren Orten gleichzeitig.
- Ein digitaler Zwilling hat vielfältige Zustände.
- In einer Interaktionssituation besitzt der digitale Zwilling einen kontextspezifischen Zustand.
- Das Informationsmodell für digitale Zwillinge ist unendlich groß, es ist ein reelles Informationsmodell.
- Das reelle Informationsmodell kann für ein spezifisches Anwendungsszenario endlich approximiert werden und wird dadurch zu einem rationalen Informationsmodell.
- Das rationale Informationsmodell ist nicht an einem Ort speicherbar.
- Das rationale Informationsmodell ist niemals vollständig sichtbar.
Eine ausführliche Beschreibung des Theoriemodells finden Sie in der Originalpublikation der Wissenschaftler: zur Publikation
Um die Digital Twin Theory zu präzisieren, ist in weiteren Forschungsarbeiten eine aktive Auseinandersetzung mit den aufgeführten Hypothesen erforderlich. Dazu wurde unter anderem das Forschungsprojekt „Technische Infrastruktur für digitale Zwillinge“ im Rahmen des Spitzenclusters it’s OWL initiiert. Federführend sind hier die beiden CIIT-Partner, das Fraunhofer IOSB-INA und die Technische Hochschule Ostwestfalen-Lippe.
Erläuterungen dazu live am 30. Juni 2021
Professor Andreas Deuter wird Ihnen darauf aufbauend am CIIT-Thementag Digitaler Zwilling am 30. Juni ein Demonstrationsszenario live aus der SmartFactoryOWL präsentieren und aufzeigen, dass erste Umsetzungen bereits darauf schließen lassen, dass die Digital Twin Theory eine wertvolle Ergänzung in den aktuellen Diskussionen zum Themengebiet „Digitaler Zwilling“ sein kann.
Direkt zur Anmeldung: https://bit.ly/2TGCTQF